Schönes neues Geldsystem - ein Rückblick. Berlin, 2048

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Was für eine Ironie, dass es am Ende ausgerechnet die Banken waren, die den Kapitalismus zu Fall brachten. Den Anfang vom Ende des alten Systems, da sind sich die Historiker heute einig, leitete 2008 die Lehman Pleite ein. In den darauffolgenden 15 Jahren beständiger Krisenpolitik steuerte die damalige Eurozone kontinuierlich auf ihren Zusammenbruch zu und den Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, bescherte schließlich 2023 der Euroaustritt Italiens gleichzeitig mit der Veröffentlichung der Euroleaks-Paper. Dieser Moment wird heute auch als der „Big Bang“ bezeichnet. Es ist wohl vor allem dem vorausschauenden und beherzten Handeln vieler Nichtregierungsorganisationen zu verdanken, dass diese Krise nicht in einer Katastrophe geendet ist.

Aufgrund der kurz zuvor erfolgten Deregulierung des Finanzsektors unter der damaligen „Koalition der Konservativen“ (KoKo) aus CDU, AfD und FDP hatten die Bankkonzerne in einem letzten Aufbäumen 2021 und 2022 noch einmal Rekordgewinne einfahren können und entsprechend hohe Boni ausgeschüttet. Doch am 24. Oktober 2023 fiel das Kartenhaus komplett in sich zusammen. Glorreich angeführt von der Deutschen Bank, taumelten quasi alle europäischen Großbanken in die Insolvenz. Doch diesmal: Too big to rescue. Auch war aufgrund der skandalösen Enthüllungen der Euroleaks das Vertrauen in die Regierung und die Finanzbranche völlig zerstört und die KoKo mit ihrem Latein völlig am Ende.

Als die Regierung der KoKo auf massiven Druck der Zivilgesellschaft am 30. November 2023 daher geschlossen zurücktrat, übernahm das „Bündnis Solidarität“ aus Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Umweltorganisationen als Notstandsregierung die Führung. Insbesondere die besonnenen Vertreter des Netzwerks der „Fair Finance Coalition“ waren auf den erfolgten Crash vorbereitet und hatten einen detaillierten Krisen- und Reformplan ausgearbeitet, dank dem größere gesellschaftliche Verwerfungen abgewendet werden konnten.

Von einem Tag auf den nächsten wurden alle insolventen Großbanken unter die Kontrolle der Bankenaufsicht gestellt und lediglich kleine Guthaben von Bürgern und Unternehmen gerettet. Jeder Bürger erhielt zudem ein auf der Sozialversicherungsnummer basierendes Bürgerkonto bei der Bundesbank. Es war ein Glück, dass EZB und Bundesbank, inspiriert von Schwedens erfolgreichem E-Krona Projekt, bereits eine entsprechende Infrastruktur mit Blockchain-Technologie für Testzwecke aufgebaut hatten, die quasi sofort in Betrieb genommen werden konnte. Von einem Tag auf den anderen wurde somit für alle Bürger ein kostenloser und sicherer elektronischer Zahlungsverkehr in Echtzeit ermöglicht. Heute ist es kaum zu glauben, dass vor 30 Jahren Onlineüberweisungen trotz Highspeed-Internet üblicherweise noch Tage gedauert hatten, man sich mit unsicherem Bankengeld abspeisen ließ und selbst die Unternehmen bereitwillig saftige Transaktionsgebühren für die damaligen EC- und Kreditkartenzahlungen an die Finanzbranche abführten.

Um den Weiterbetrieb der Wirtschaft und die Versorgung der Bevölkerung nach dem „Big Bang“ in Deutschland zu sichern, schüttete die neue Regierung des „Bündnis Solidarität“ außerdem zusätzliches, von der Bundesbank neu geschöpftes Geld direkt an alle Bürgerkonten aus. Dieses „Helikoptergeld“ war zur Belebung der Konjunktur weitaus effektiver als die absurden Maßnahmen, die sich vorherige Regierungen überlegt hatten, wie beispielsweise noch im Jahr 2009 – man mag es heute kaum glauben – eine Prämie für die Verschrottung funktionierender Autos. Dieses neue Instrument der „Bürgerdividende“ erwies sich als so effektiv, dass noch heute fast die gesamte Geldpolitik darauf beruht. Wenn etwa die Bevölkerung wächst und es zur Wahrung der Preisstabilität mehr Geld im Wirtschaftskreislauf braucht, werden einfach einheitliche „Bürgerdividenden“ an alle Bürgerkonten ausgeschüttet. Neues Geld entsteht damit schuldfrei und kommt durch Ausgaben der Bevölkerung in Umlauf und nicht mehr wie früher über Kredite und Verschuldung. Somit fließt immer genug Geld im System, ohne dass sich irgendjemand verschulden muss. Als sehr sinnvoll hat sich mittlerweile auch die ursprünglich stark umstrittene Einführung eines Negativzinses auf Bürgerkonto-Guthaben erwiesen. So bleibt das Geld im Fluss und der natürlichen Anhäufung des Geldes durch Zins und Zinseszins wird entgegengewirkt.

Außerdem wurden vom Bündnis Solidarität zwischen 2022 und 2025 die vorherigen Finanzkonglomerate aufgebrochen und in ein breitmaschiges Netz gemeinwohlorientierter Ethikbanken eingegliedert. Dank Finanztransaktionssteuer und Gemeinwohlprüfung von Finanzprodukten haben sich die Finanzmärkte im Vergleich zu damals massiv entschleunigt und schaffen nun die Grundlage für die Finanzierung von langfristig orientierten Investitionen und dem sozial-ökologischen Umbau unserer Gesellschaft – ganz ohne Finanzkrisen und Bankenrettungen. Heute sorgen alle Banken dafür, dass das Geld dorthin fließt, wo es am meisten Gutes tut. Wer die früheren grauen Herren der Finanzwelt noch erlebt hat, weiß um den gewaltigen Unterschied zu den heutigen Bankberatern, die uns dabei helfen, die Verwirklichung der eigenen Träume zu finanzieren. Aus Erfahrung muss man sagen, dies war ein langer, langer Weg.

Durch all die Reformen im Geld- und Finanzsystem hat sich in den letzten Jahrzehnten auch der allgemeine Leistungsdruck und Wachstumswahn in der Gesellschaft abgemildert und für viele überraschend auch das Problem der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit aufgelöst. Geld ist endlich da für Schulen, für Umweltschutz und für die schönen Dinge im Leben. Auch legen viele Menschen mittlerweile mehr Wert darauf, mit ihren Ersparnissen sinnvolle Projekte anzustoßen als lediglich ihre Zinseinnahmen zu maximieren. Es scheint, dass die Menschen ungemein großzügiger geworden sind, seitdem weniger Knappheit und Wettbewerb herrscht.

Als in den Monaten nach dem Big Bang immer mehr der südeuropäischen Länder aus dem Euro austraten, waren die Befürchtungen groß, dass dies das Ende der EU besiegeln würde. Doch rückblickend muss man sagen, dass die Fehlkonstruktion des Euro und die damit verbundenen systemischen Ungleichgewichte wohl das eigentliche Problem waren und erst die Abkehr der Südländer vom Euro eine Renaissance der europäischen Gemeinschaft ermöglichte. Insbesondere das „Manifest für ein demokratisches Europa“ von 2031 ermöglichte ein neues Aufblühen der Staatengemeinschaft und schaffte auch die notwendigen automatischen Ausgleichsmechanismen für den Euro, der sich seitdem für die nordeuropäischen Staaten als Gemeinschaftswährung bewährt hat.

Doch nicht in allen Ländern wurde der Big Bang so gut bewältigt wie bei uns und trotz aller Fortschritte gibt es noch viel zu tun. Auf globaler Ebene wird gegenwärtig die Einführung einer neuen internationalen Finanzordnung beruhend auf Keynes „Bancor“ Plänen vorbereitet. Damit werden Dollar und Yen von der neuen globalen Reservewährung Unido abgelöst. Durch feste Wechselkurse und ein stabilisierendes Regelwerk in Form von Sanktionen bei Handelsdefiziten als auch bei Handelsüberschüssen, erhofft man sich ein bisher ungesehenes Maß an Stabilität und Gerechtigkeit.

Endlich befinden wir uns also auf einem guten Weg zu einem immer schöneren neuen Geldsystem, das dem Wohlergehen unseres Planeten und aller Menschen dient.

 

Lino Zeddies (27) ist „Pluraler“ Ökonom, Vorstandsmitglied bei der Geldreform-Bewegung Monetative e.V. und Geschäftsführer des International Movement for Monetary Reform. Wenn er sich in seinem Wirken für eine schöne neue Welt nicht gerade mit Geld- und Wirtschaftsreformen beschäftigt, arbeitet er als Organisationsberater und Coach bei Next Culture Consulting.

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